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    Weil wir uns lieben

     

     

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Weil wir uns lieben haben wir es geschafft

Weil wir uns lieben

Er, der Rumänendeutsche, ist dunkel, zurückhaltend. Sie, die gebürtige Rumänin, ist blond und vital mit kräftiger Stimme, häufig unterbrochen von fröhlichem Lachen, aber auch schnell den Tränen nah. Georgeta und Uwe sind ein Paar, schon dem 18. April 1984 und erzählen von ihrer Liebesgeschichte...

Uwe: „Ich bin in der Kleinstadt Agnetheln in Siebenbürgen aufgewachsen, ein Gebiet, das seit dem Mittelalter von Deutschen besiedelt war. Mein nächstes Umfeld wie Kindergarten und Schule war deutsch, aber ich hatte auch rumänische Freunde und Freunde aus den Zigeunerfamilien. Rumänisch habe ich schon als Kind gelernt. Meine zwei Brüder und ich haben ein sorgloses Leben als Kinder gehabt, ich habe positive Erinnerungen daran. Für uns Kinder war die Welt in Gut und Böse scharf getrennt. 

Es war einfach, die private Welt von der politischen zu trennen. Jeder kannte die Spielregeln und solange man sich daran hielt, war der Alltag in Ordnung. Mein Vater hatte in unserer Stadt ein Heimatmuseum gegründet und wollte sein Lebenswerk weiterführen. Leider starb er sehr früh, 1972, ich war erst zwölf Jahre alt. Meine Mutter stand allein da mit drei Söhnen, denen sie allen eine gute Ausbildung geben wollte.

Das Familienziel war nach Deutschland auszureisen, in das Traumland. 1978, ich war achtzehn Jahre alt, war es endlich so weit. 

Das existenzielle Problem war ausschlaggebend für die vorangetriebene Auswanderung nach Deutschland. Wir wären wahrscheinlich länger geblieben, wenn mein Vater noch gelebt hätte. Aufgrund der Familienzusammenführung konnte die restliche Familie samt dem über 90-jährigen Großvater nach Karlsruhe übersiedeln. Das Einleben für uns Kinder ging problemlos. Wir drei Jungs gingen alle auf das Kantgymnasium. Nach dem Abitur habe ich meinen Wehrdienst absolviert. Anschließend habe ich mein Studium der Druckereitechnik in Stuttgart angefangen.

In Rumänien gab es das Grundrecht auf Arbeit. Hier nicht. Diese Umstellung war für meine Mutter problematisch, aber schließlich hat sie eine Stelle in einer evangelischen Gemeinde in Karlsruhe gefunden.

Mein Herz schlägt für Rumänien genauso wie für Deutschland, ich fühlte und fühle mich mit meiner Heimat noch sehr verbunden. Deswegen verbrachte ich häufig die Ferien in Rumänien bei Freunden, auch einmal Ende des Jahres 1982 …

Weil wir uns lieben haben wir es geschafft

Silvesterabend. Uwe feiert mit Freunden, die Stimmung ist ausgelassen, die meisten tanzen. Der junge Mann aus Deutschland tanzt aber nicht gern, er sitzt allein in einer Ecke. Sie, die attraktive junge Rumänin sieht ihn, er wirkt verlassen. Sie geht zu ihm hin und unterhält sich mit ihm. Er ist eigentlich nicht ihr Typ, er aber verliebt sich gleich in Georgeta.

Georgeta: „Als Uwe zurück in Deutschland war, hat er mir immer wieder Briefe geschrieben. Ich habe sie nicht sehr ernst genommeeon, manchmal meinen Freundinnen gezeigt. Viele Mädchen würden sofort die Chance nehmen, nach Deutschland zu kommen, aber ich wollte mein Land gar nicht verlassen. Ich hatte nach dem Abitur ein Studium der Holzindustrie angefangen und fühlte mich wohl. Meine Jugendjahre, die Siebziger, waren die ‘goldenen Jahre’ in Rumänien, eine Art Pseudo-Frühling. In dieser Zeit war die Versorgung recht gut und die Freiheit, nicht nur die religiöse, war großzügiger. Ich habe meine Zeit genossen, hatte Freunde und Verehrer. Eines Tages merkte ich, dass die bisherigen Freunde mir nicht das gaben, was ich suchte: Tiefgang und Ernsthaftigkeit.

Weil wir uns lieben haben wir es geschafft

Dann habe ich mich auf den treuen, nachdenklichen jungen Mann aus Deutschland besonnen und ihn angerufen. Der jüngste Bruder war am Telefon. Ich habe ihn gebeten, Uwe auszurichten, dass er zurückrufen soll. Die Tage sind vergangen, es kam kein Rückruf. Fast hatte ich die Hoffnung aufgegeben. Nach drei Tagen stand er plötzlich vor mir. Ich konnte es kaum glauben, es war wie im Traum.“

Uwe: „Als ich erfuhr, dass Georgeta angerufen hatte, habe ich ohne zu zögern alles in Bewegung gesetzt, um so schnell wie möglich die Einreise nach Rumänien zu erhalten. Das war jedes Mal mit Schikanen und Schwierigkeiten verbunden. Ich musste bis zu 24 Stunden vor den Panzersperren an der Grenze warten. Als wir uns endlich gesehen haben, war es, als ob sich ein Knoten löst…“

„Seit der ersten Umarmung damals sind wir ein Herz und eine Seele und halten zusammen“, sagt Georgeta. Die beiden beschlossen zu heiraten, unter der Voraussetzung, dass sie zusammen nach Rumänien zurückgehen, wenn es Georgeta nicht in Deutschland gefiele. Als Ausländer — Uwe war inzwischen deutscher Staatsbürger war es für ihn nicht einfach, eine Rumänin zu heiraten. Erst musste eine gewisse Anzahl von Paaren den Antrag auf Heirat gestellt haben, bis der Staatsrat bzw. Ceausescu durch seine Unterschrift einigen dieser Paare gestattete, zu heiraten und als Paar Rumänien zu verlassen.

Weil wir uns lieben
Weil wir uns lieben

Georgeta: „Diese Prozedur hat für uns ein Jahr gedauert, ein Jahr voller Aufregung mit mehreren Reisen nach Bukarest. In diesem Jahr hat mir Uwe jeden Tag einen Brief geschrieben, manchmal acht bis zwölf Seiten. Da die Post unregelmäßig ankam, konnte ich manchmal viele Briefe auf einmal lesen, 1986 konnten wir endlich als Verheiratete Rumänien verlassen. Ich sprach nicht Deutsch, und der Anfang in Karlsruhe war sehr schwer. Ich war stumm, musste bei Null anfangen und fühlte mich vom Leben ausgeschlossen.

Weil wir uns lieben haben wir es geschafft

Mein erster Besuch bei Wertkauf war schlimm. Ich habe angefangen zu weinen. Warum gibt es hier so viel und bei uns gar nichts?

So ein Überfluss. Am liebsten hätte ich einen ganzen Zug vollgepackt und nach Rumänien geschickt. Von den Freunden meines Mannes wurde ich sehr herzlich aufgenommen, aber eigene Freunde fehlten mir. Auch den Humor verstand ich nicht. Nur weil wir uns so gut verstehen und stark lieben, haben wir es gemeinsam geschafft.

Weil wir uns lieben haben wir es geschafft

Als Rumänin, die einen Ausländer heiratete, musste ich die rumänische Staatsbürgerschaft abgeben. Ich war nunmehr staatenlos und wurde in Deutschland vom Ausländeramt zum Sozialamt geschickt. Dort hat man mich auf den IB hingewiesen. Hier habe ich große Unterstützung erfahren von Lena und Iris, sowohl menschliche wie praktische Hilfe. Nach Deutschkursen im IB habe ich bei der Firma IWKA eine Anstellung  bekommen, auch dies mit Hilfe des IB. Iris begleitete mich beim Vorstellungsgespräch und half mir mit der Sprache. Trotz guter Bezahlung wollte ich nach fünf Jahren eine andere Beschäftigung, Ich habe eine Umschulung zur Zahntechnikerin gemacht. Seit fünf Jahren arbeite ich bei einem Kieferorthopäden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind international, Probleme wegen meiner Herkunft kenne ich nicht.

Weil wir uns lieben
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Diese Geschichte wurde 2002 im Buch „Ankunft einer Generation“ veröffentlicht.

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