Das Harbachtalmuseum

Dr. Erhard Andree

Dr. Erhard Andrée (1911-1972) hat sich vor allem um die heimatliche Erschliessung des Harbachtales bleibende Verdienste erworben. Der Volkswirt und Historiker, vorher am Burzenländer Museum tätig, wurde im Januar 1957 nach Agnetheln berufen, um das dortige Museum aufzubauen, das im Mai 1961 eröffnet und von ihm geleitet wurde. In dieser Zeit nahm er systematische Feldforschung im Harbachtal vor und trug zum grössten Teil die Sammlungen des späteren Museums zusammen. Im Vordergrund der Sicherstellung von Kulturgut standen sowohl siebenbürgisch-sächsische als auch rumänische Sammlerstücke, wie auch jene Gegenstände, die das gewerbliche Leben und das Brauchtum im Harbachtal dokumentierten.

Bei der Eröffnung des kleinen Museums konnte der Besucher drei Säle sehen, wobei Dr. Erhard Andrée vorgegeben war, die Geschichte des Harbachtals in den grossen Rahmen der rumänischen Geschichte zu stellen. Doch gelang es ihm, gesellschaftliche, kultur- und lokalgeschichtliche Aspekte ebenso zu veranschaulichen. Nach der Eröffnung entfaltete Dr. Erhard Andrée eine intensive Publikumsarbeit, so dass die jährliche Besucherzahl bald die der Einwohner Agnethelns überstieg. Um den Interessentenkreis zu erweitern und in seine Sammlertätigkeit immer mehr Menschen einzubeziehen, gründete er einen "Freundeskreis des Agnethler Museums".

1969 gelang der Umzug in das sogenannte Breckner-Haus, eine im Barockstil erbaute Miniaturausgabe des Bruckenthal-Palais, Sitz des berühmten Bruckenthal-Museums in Hermannstadt.

Museum

Anfang der siebziger Jahre zählten die Sammlungen über 5000 Originalexponate, von denen nur ein kleiner Teil ausgestellt war, alle anderen wurden sachgemäss im Depot gelagert und konserviert.

Dr. Erhard Andrée war es auch, der mehrere Ausstellungsgegenstände restaurierte - und mit der staatlichen Restaurierungsbehörde im Denkmalschutz und in der Pflege des kulturellen Erbes zusammenarbeitete. Gleichzeitig regte er mehrere Restaurierungsarbeiten an, die von den sächsischen Kirchengemeinden getragen und ausgeführt wurden.

Auf seinen Streifzügen durch das Harbachtal entdeckte Dr. Erhard Andrée mehrere vorher nicht bekannte archäologische Siedlungen, deren Funde aus der Jungstein-, Bronze-, und Römerzeit in die Sammlungen aufgenommen wurden. Von den mittelalterlichen Beständen ist die Waffensammlung am erwähnenswertesten, wobei insbesondere auf ein Eisenschwert aus dem 14. Jahrhundert hingewiesen wird.

Viel zahlreicher vertreten sind die Zunftaltertümer aus dem Marktflecken selber und aus dessen Umfeld. Es handelt sich vor allem um Zunftzeichen und Produkte der Schuster-, Schmiede-, Wagner-, Lederer- und Fassbinderzunft. Von diesen sei bloss die Grossschenker Zunftlade der Wagner aus dem Jahre 1653, eine barocke holzverzierte Truhe mit Doppelschloss, sowie der berühmten Henndorfer Stollentruhen der siebenbürgischen Spätgotik und Renaissance erwähnt. Dr. Erhard Andrée legte auch den Grundstein zur volkskundlichen Sammlung. Die sächsischen und rumänischen Exponate waren zu gleichen Teilen vertreten. Innerhalb dieser nehmen die Krüge und Teller der Agnethler und Harbachtaler Töpfermeister einen besonderen Platz ein, wobei auch Teile aus der Werkstätte des letzten Töpfermeisters Michael Jasch in die Sammlung aufgenommen werden konnten. Mehrere vollständige Trachten dokumentieren die lebhafte Tracht des Harbachtales. Gut vertreten waren die Zeugnisse des Hausgewerbes, allen voran die Geräte zur Hanfverarbeitung und jene des hauswirtschaftlichen wie des landwirtschaftlichen Gebrauchs.

Leider war es ihm nicht vergönnt, diese volkskundliche Sammlung dem Besucher gebührend darzustellen, weil ihm die notwendigen Räumlichkeiten fehlten und weil ihn der Tod vorzeitig aus seinem unermüdlichen Schaffen riss.

In die Museumsbestände wurden sowohl Erzeugnisse Agnethler Betriebe, wie die Lederwarenfabrik aufgenommen, wie auch zahlreiche Gemälde, Zeichnungen, Skizzen und Aquarelle des Agnethler Malers Michael Barner (1881-1961).

Dr. Erhard Andree

Einmalige Verdienste hat sich Dr. Erhard Andrée um die Schaffung der Bibliothek innerhalb des Museums erworben. Von den über 10000 Bänden historischer und kulturhistorischer Literatur, die er bis zu seinem Lebensende zusammentrug, waren etwa 500 seltene siebenbürgische Drucke (Transilvanica des 16-17 Jahrhunderts) und eine Gesamtausgabe der Schriften von Erasmus von Rotterdam. Ihr angeschlossen ist ein Zettelkasten zur Ortgeschichte Agnethelns und des Harbachtales, worin alle erwähnenswerten historischen, zeitgeschichtlichen und bibliographischen Daten festgehalten wurden. Auch sammelte er alte Aufnahmen und Postkarten. Obwohl kein Naturkundler, berücksichtigte Dr. Erhard Andrée in seiner Sammlertätigkeit auch die Flora und Fauna dieser Region, wobei er in enger Zusammenarbeit mit Fachlehrern die besonders seltene Kugelblume (Globularia Willkommi Nym.) und die wildwachsende Narzisse zu schützen versuchte, indem er sie für den Naturschutz empfahl und ein Naturschutzgebiet anregte.

Nach seinem Tod verlor das Harbachtal-Museum weitgehend seinen Rang. Seine Nachfolger pflegten die Breitenarbeit nicht mehr und beschäftigten sich vornehmlich mit der Erfassung der gesammelten Gegenstände, die vom verstorbenen Kustos noch nicht berücksichtigt worden waren. Mitte der siebziger Jahre wurden mehrere Räume mit volkskundlichen Exponaten eingerichtet und damit gleichzeitig die ethnographische Abteilung eröffnet. Hier wurden jedoch sächsische Gegenstände nicht als solche gekennzeichnet und allein den rumänischen ein grosszügiger Ausstellungsraum gewidmet. Dabei hätte man gerade am Beispiel des Harbachtales die Interferenzen der Siebenbürger Sachsen und Rumänen darstellen können, anstatt die Sachsen so zu übergehen, als wären sie gar nicht im Harbachtal ansässig gewesen. 1980 wurde die historische und lokalgeschichtliche Ausstellung aus den sechziger Jahren von Fachleuten des Brukenthal-Museums Hermannstadt grundlegend umgebaut. Mehrere Gegenstände wurden restauriert, Texte, historische Skizzen und Landkarten neu gestaltet und entsprechend beschriftet. 1987 musste dann diese Ausstellung noch mal umstrukturiert werden, diesmal zugunsten der "Goldenen Epoche" des Diktators Ceausescu, wodurch das Harbachtal-Museum in ein Dornröschenschlaf fiel. Zwar wurde diese Darstellung nach der Dezemberrevolution schleunigst entfernt, doch war ein Jahr später das Museum für Besucher immer noch nicht zugänglich. Auch heute hat sich nicht viel verändert, eine Aktivität ist kaum feststellbar, durch fehlende Fonds ist das Museumsgebäude stark renovierungsbedürftig. Der Dornröschenschlaf dauert an ...

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